Die aus dem Internet?
Jaqueline Scheiber ist Autorin, Sozialarbeiterin und Podcasterin. Unter dem Pseudonym „Minusgold“ veröffentlichte sie von 2010 bis 2017 auf ihrem Blog Lyrik und Prosa. Sie bespricht gesellschaftskritische Themen, gibt Einblick in Teilrealitäten ihres Alltags und verarbeitet Eindrücke in literarischen Erzählungen. Im Interview spricht sie über Kompetenzen, die sich sich als Sozialarbeiterin angeeignet und in Social Media anwendet. Und darüber, ob das Internet ein Safe Space sein kann.
Jaqueline Scheiber über…
… Abgrenzung im digitalen Raum.
Das ist eine der wichtigsten Kompetenzen, die ich meinem Beruf als Sozialarbeiterin gelernt habe und immer wieder anwenden musste. Einerseits muss man nah- und greifbar sein, andererseits muss man aber eben auch abgrenzen können. In der digitalen Welt verhält es sich ähnlich. Dort gibt es diese öffentliche Person, die auch intime Dinge teilt, aber sich trotzdem von mir als Privatperson unterscheidet. Das ist etwas, das ich bewusst von Beginn an so handgehabt habe.
… Pseudonyme im Internet.
Es war für mich immer klar, dass „Minusgold“ ein abstrahierter Teil meiner Identität war und nicht mein allumfassendes Ich. Im letzten Jahr habe ich aber dann aus verschiedenen Gründen beschlossen, dass es das Pseudonym für mich nicht mehr braucht.
… die Gründe für das Ende ihres Pseudonyms.
Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass „Minusgold“ so stark ein Platzhalter für meine digitale Identität geworden ist, dass der Name im realen Raum für mich nicht mehr funktioniert. Ich war irritiert, wenn mich jemand bei einer Lesung mit dem Pseudonym angesprochen hat. Und ich habe auch gemerkt, dass gerade im Bereich Kunst und Kultur, der Name öfters dazu geführt hat, dass ich kleiner gemacht wurde als ich es bin. Ich wurde nicht ganz ernst genommen und als „die aus dem Internet“ bezeichnet. Somit war es also eine selbstermächtigende Entscheidung fortan an Jaqueline Scheiber aufzutreten.
… die Klarnamenpflicht.
Ich bin keine Befürworterin davon. Meiner Meinung nach greift sie zu kurz und ich denke nicht, dass sie den Hass im digitalen Raum beenden kann. Dafür gibt es zu viele Beispiele, bei denen Menschen im Internet mit vollem Namen beleidigende, verletzende oder strafrechtlich relevante Kommentare absondern. Viel mehr glaube ich, dass eine Klarnamenpflicht dazu führt, dass Menschen, die nicht ihre komplette Identität preisgeben wollen, nicht ausreichend geschützt werden können. Außerdem bin ich der Meinung, dass das Internet weiterhin ein gewisses Maß an Selbstbestimmung ermöglichen sollte.