Man kriegt vor Gericht recht, aber die Barrieren bleiben.
Mit 18 Jahren wurde Christine Steger „von einem betrunkenen Autofahrer abgeschossen.“ Seitdem trägt sie eine Oberschenkelprothese. 2023 wurde sie zur österreichischen Behindertenanwältin bestellt und kämpft für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Christine Steger über …
… das Recht auf gleichberechtige Teilhabe am Leben und die Realität:
Es wird davon ausgegangen, dass Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft von anderen Menschen mit Behinderungen am besten aufgehoben sind. Ein Beispiel ist der Kindergarten. Behinderte Kinder werden häufig aus strukturellen Gründen von der Kindergartenpflicht ausgenommen – mit dem Hinweis, dass sich die Gemeinde keine Sonderkindergartenpädagogin leisten will oder kann oder weil man eben der Meinung ist, „die“ sind woanders besser aufgehoben.
… fehlende Möglichkeiten, Diskriminierung juristisch zu beseitigen:
Es gibt zwar dieses völkerrechtlich bindende Dokument der UN-Behindertenrechtskonvention, aber die entsprechenden Gesetze dazu wurden nicht umfänglich angepasst. Nehmen wir das Gleichstellungsgesetz: Wenn ein Gericht eine Diskriminierung feststellt, bekommt man einen Schadenersatz, aber es gibt keinen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch.
… über die Auswirkungen der Separierung schon im Kindesalter:
Kinder mit Behinderungen landen sehr schnell in der Sonderschule. Meine Kritik richtet sich aber nicht gegen die Sonderschule. Das Problem ist, dass das Schulsystem an sich marod und nicht kindgerecht ausgestaltet ist. Eigentlich sollten Strukturen wie in der Sonderschule – im Hinblick auf Betreuungsressourcen und Klassengrößen – in allen Schulen vorhanden sein.
… über die gesellschaftliche Problematik dieser „Trennung“:
Ich werde oft gefragt, wie man diese „Hürden“ abbauen könnte. Dann frage ich zurück: „Wie viele Leute mit Behinderungen kennen Sie denn?“ Die Antwort geht meistens in die Richtung, dass da vielleicht mal einen Rollstuhlfahrer oder so gibt, aber im Grunde ist es recht sortenrein geclustert. Und das ist einfach problematisch.
…über Scham & Schönheit im Kontext von Behinderung:
Menschen mit Behinderungen wird oft abgesprochen, Teil der „normcore“ Welt zu sein. Schönheit als Konzept, das sich nicht in Einklang mit sichtbaren „Abweichungen“ bringen lässt. Scham entsteht in meiner Wahrnehmung und Erfahrung oft durch die Blicke von Menschen ohne Behinderungen, die mit einer Ab-/Wertung einhergehen.